Luisas wunderbare Hausgeburt erzählt von Susanne
Es war ein sonniger, klarer Novembertag als sich Luisas Ankunft ankündigte.
Beim nächtlichen Gang zur Toilette hatte ich das Zeichnen bemerkt, ich wusste aber, dass es noch ein wenig dauern konnte. Trotzdem war ich nervös. Luisa war mein drittes Kind.
Ich wusste also, dass die Geburt in den nächsten Stunden losgehen würde und nichts und niemand mir das abnehmen konnte.
Mit Tränen in den Augen kroch ich ins Bett und sagte zu meinem Mann, dass es bald losgeht und dass ich mich fürchte.
Er nahm mich in den Arm und wischte meine Tränen weg.
Dann aber beschloss ich, umzusetzen, was ich im Hypnobirthingkurs gelernt hatte. Ich setzte mir die Kopfhörer auf und hörte die Regenbogenentspannung. Augenblicklich wurde ich ruhig und entspannt. Ich schlief dann auch wieder ein und ruhte mich aus.
Am nächsten Tag aßen wir noch zu dritt zu Mittag. Ich machte ein Foto von Michael und unserer damals Zweijährigen.
Für mich war es ein besonderer Moment – das letzte Essen als „kleine Schwester“. Bald würde sie die Große sein.
Am Nachmittag spürte ich dann leichte Wellen in langen aber regelmäßigen Abständen. Michael brachte unsere Kleine zu den Großeltern und ich rief Karin, unsere Hebamme an.
Sie meinte, ich solle mir noch einen schönen Tag mit Michael machen bevor es losgeht. Vielleicht auf dem Markt spazieren oder essen gehen. Ich wollte ihrem Rat zunächst folgen, spürte dann aber in mich hinein, ob das wirklich das Richtige war.
Und nein, das war es nicht. Ich wollte Ruhe haben. Also legte ich mich ins Bett und entspannte wieder bewusst. Ich freute mich, wie sehr ich es diesmal schaffte, meine eigenen Bedürfnisse zu erkennen – danke Hypnobirthing!
Michael setzte Hühnersuppe auf und ich zündete Kerzen im Wohnzimmer an. Ich dachte nämlich, unsere Kleine käme dort zur Welt. Im Bett sicher nicht! Schließlich hatte mir Herumgehen bei der ersten Geburt sehr geholfen.
Ich wollte bei den Wellen ein wenig nachhelfen und bat Michael, mir eine Badewanne einzulassen. Er zündete im Bad Kerzen an und schüttete reichlich Ölbad mit Nachtkerzenöl ins Wasser. Ich stieg in die Wanne, lehnte mich zurück und – sprang augenblicklich wieder heraus! Das Wasser war ein Wehenturbo – viel zu heftig reagierte mein Körper.
Jetzt verstand ich, wieso ich bei der letzten Geburt versucht hatte, mich in den Vierfüßler zu retten sobald die Wellen anrollten! Mein Körper und warmes Wasser vertragen sich bei der Geburt nicht. Das wusste ich damals auch.
Aber ich konnte mich gegen die Entscheidung der Hebamme nicht mehr durchsetzen.
Jetzt aber konnte ich es selbst entscheiden. Wie schön das war!
Also zurück ins Bett.
Ich türmte mir Pölster zum Anlehnen auf und wartete, bis sich mein Körper beruhigt hatte. Neben mir stand eine Duftlampe mit Lavendelöl. Das beruhigte und entspannte mich sehr.
Michael rief Karin an, die sich auf den Weg machte.
Meine große Tochter war unschlüssig, ob sie dableiben sollte. Sie war damals 16 und einerseits neugierig, andererseits besorgt um mich. Während ich im Bett saß und mich bewusst entspannte, kam sie zu mir. In der Hand ein paar Fotos von sich und der kleinen Schwester. Sie klebte die Fotos neben mir an den Schrank und sagte: „Falls du mittendrin verzweifelst, dann schau auf die Fotos. Dann weißt du, wieso du das machst!“ Dann stellte sie eine Packung mit Honigwaffeln und eine Tasse Tee neben mich. Ich spürte ihre Nervosität und daher sagte ich ihr, dass es ok wäre, wenn sie jetzt zu ihrer Oma fahre. Spürbar erleichtert, dass ich ihr die Entscheidung abgenommen hatte, machte sie das dann auch.
Sobald sie fort war, konnte ich mich ganz dem Geschehen hingeben. Die Wellen kamen regelmäßig und ich atmete so wie ich es kurz zuvor noch einmal im Buch nachgelesen hatte.
Ich spürte die Wellen vor allem vorne im Bauch, wie eine Art Krampf, aber nicht wirklich schmerzhaft. Karin kam und setzte sich ein wenig zu mir. Dann ging sie hinaus zu Michael, der in der Küche werkte. Ich hörte die beiden im Nebenraum sprechen und mit Geschirr klappern. Michael legte ab und zu eine neue CD ein – Shakti Music oder andere Entspannungsmusik. Ich hingegen konzentrierte mich auf das Atmen.
Bald fand ich einen guten Rhythmus. Ich zählte beim Einatmen bis Zwanzig und atmete dann ganz langsam aus. So konnte ich jede Welle gut veratmen und hatte jedes Mal das Ende der Welle genau im Blick. Ich wusste, dass nach dem Ausatmen wieder Zeit für die Entspannung war und genoss diese Zeit auch ganz bewusst.
Ab und zu schaute Karin vorbei, bleib eine Weile bei mir sitzen, redete in den Pausen mit mir und ging dann auch wieder.
Irgendwann merkte ich, dass sich der Rhythmus geändert hatte. Ich kam mit einem Atemzug nicht mehr aus und musste zweimal langsam und bewusst atmen bis eine Welle vorüber war. Auch die Abstände wurden kürzer. Jetzt begann die richtige „Arbeit“. Karin schaute nun öfter vorbei.
Irgendwann fragte sie, ob sie nachschauen solle, wie weit der Muttermund geöffnet war. Ich überlegte, da ich diese Untersuchungen als sehr unangenehm und schmerzhaft in Erinnerung hatte. Außerdem wusste ich, dass es mich sehr demotivieren würde, wenn sich noch nichts getan hatte. Dann entscheid ich mich dafür.
Karin tastete sehr vorsichtig und fragte, ob ich schätzen wolle. Ich wollte nicht zu hoch ansetzen und dann enttäuscht sein und schätzte auf drei bis vier Zentimeter. Karin lachte und sagte es seien schon acht.
Aus meinen bisherigen Geburtserfahrungen wusste ich, dass es ab acht Zentimetern bei mir sehr schnell gehen konnte. Und tatsächlich ging es nun zügig voran. Pausen gab es kaum mehr.
Karin blieb nun bei mir und unterstützte mich auch energetisch. „Stell dir vor, ein rosa Licht fließt durch dich durch“ sagte sie und hielt ihre Hände knapp über meinem Unterleib.
Sie holte Michael dazu und bat ihm, mir Wasser und einen Strohhalm zu bringen. Ich trank gierig und war sehr dankbar für diese Unterstützung. Ich war jetzt auch hungrig, aber an Essen war nicht mehr zu denken.
Karin legte eine Unterlage in mein Bett und kurze Zeit später spürte ich, wie die Fruchtblase platzte. Ab jetzt spürte ich das Baby in meinem Bauch noch viel deutlicher als zuvor.
Es stieß und strampelte sich mit jeder Welle den Weg nach draußen. Dann spürte ich deutlich den Druck des Köpfchens und drückte mit.
Gleichzeitig kam die Angst vor dem letzten Stück und ich wollte die Beine zusammenpressen und dagegen ankämpfen. Das verhinderte Karin indem sie Michael anwies, meine Knie festzuhalten. Sie versuchte mich aber auch zu bremsen „Nicht so schnell. Lass dir ein bisschen Zeit“, sagte sie. Außer Atem stieß ich hervor: „Das bin nicht ich! Das ist die Kleine!!“. Und so empfand ich es auch. Die Kleine wollte raus und drückte was das Zeug hielt.
Dann spürte ich ein Brennen und im nächsten Augenblick war mein kleines Mädchen da.
Ich setze mich auf und sah, dass Karin sie gut aufgefangen hatte. Als ich sah, dass sie sich bewegte, war ich beruhigt. Ich sagte „Gib sie mir, schnell, ich will sie halten.“, aber Karin wickelte noch an der Nabelschnur herum. Jetzt sah ich, dass die Nabelschnur sich ganz fest um die Knöchel der Kleinen gewickelt hatte. Daher war sie jetzt nicht lang genug, um mir die Kleine auf den Bauch zu legen.
Als Karin mein Baby befreit hatte, stutzte sie kurz. In der Nabelschnur war ein Knoten1. Dieser lag aber genau zwischen den Füßchen und war umwickelt und daher geschützt, so dass die Blutzufuhr auch bei der Geburt nicht unterbrochen war.
Endlich durfte ich meine kleine Luisa zu mir hochheben. Ich sah sie genau an. Sie war groß und trotzdem sehr zart – genauso, wie Karin es ertastet hatte. Ihr Gesichtchen war zusammengedrückt, so dass sie aussah wie ein kleiner flacher Pfirsich.
Ich küsste sie und legte sie gleich an die Brust.
Michael saß neben uns und umarmte mich und das Baby.
Ganz ruhig war es wieder geworden, der Sturm der Geburt war vorbei.
Im Hintergrund lief leise indische Musik, die Honigwaffeln neben mir dufteten und die Kerzen gaben ein sanftes Licht.
Nur Luisas Beinchen zuckten und strampelten regelmäßig ganz fest. Karin sagte: „Halte sie fest und sag ihr, dass sie schon da ist. Sie glaubt noch immer, sie muss mithelfen.“
Ich drückte Luisa sanft an mich und flüsterte ihr mein Willkommen ins Ohr. Da hörte sie auf zu strampeln. Jetzt war es langsam Zeit, sie Abzunabeln.
Karin hielt ihre Hand schützend auf den Bauch der Kleinen und Michael schnitt die Nabelschnur durch. Es war ein feierlicher Moment, als ihr Vater sie so noch ein zweites Mal und ganz in diese Welt holte.
Später nahm Karin Luisa noch einmal zu sich, um sie in ihrer Tuchwaage zu wiegen.
Sie flüsterte ihr leise ins Ohr und erklärte ihr, was mit ihr passiert. Luisa schien mit großen Augen zuzuhören und blieb ganz entspannt. Leider hatte ich durch den rasanten Endspurt ein paar Abschürfungen, die genäht werden musste.
Der Damm war aber heil geblieben. Später duschte ich und Michael überzog das Bett neu. Dann kuschelten wir uns zu dritt ins feine, warme Nest und lernten einander kennen. Luisa schlief an meiner Seite ein. Karin ging leise und versprach, am nächsten Tag wieder zu kommen.
Ich war sehr glücklich und voller Kraft. Ich schrieb meiner Großen ein sms, um ihre Sorge um mich zu zerstreuen.
Da erst wurde mir bewusst, dass seit ihrem Weggang erst dreieinhalb Stunden vergangen waren.
Luisas Geburt hatte also rund drei Stunden gedauert.
Stunden, die mir zeitlos und kraftvoll in Erinnerung geblieben sind.
Nie wieder würde ich die wunderbare Atmosphäre einer Hausgeburt freiwillig gegen eine Klinikgeburt tauschen wollen!
Luisa Alma, geb. 18.11.2011, 22:00 Uhr
1 Interessant ist, dass ich irgendwann im letzten Drittel der Schwangerschaft plötzlich sehr beunruhigt war wegen der Nabelschnur. Ich hatte das Gefühl, mein Baby mache sich „Sorgen“ und bitte um Hilfe und auch ich machte mir Sorgen. Ich recherchierte und fragte auch meine Hebamme, ob denn eine Nabelschnur auch irgendwie geknickt oder abgeschnürt werden kann. Ich beruhigte mich und mein Baby dann mit der Affirmation, dass Nabelschnüre ja von der Natur dafür gemacht sind, das Baby zu versorgen und dass es sich offensichtlich um ein „Erfolgsrezept“ handeln muss, sonst gäbe es da ja ein anderes System. Umso erstaunter war ich, dass es tatsächlich ein Problem gegeben hatte.
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