Hauptsache gesund? Über den Kaiserschnitt
Von Kristina Wierzba-Bloedorn – Bauchgeburt
Als ich vor fast 9 Jahren meinen Sohn ungeplant durch einen Kaiserschnitt zur Welt brachte, hätte ich mir auch sehr gewünscht, so viele wichtige Informationen an einer Stelle im Netz finden zu können.
Es gab zu diesem Zeitpunkt in meiner Stadt noch nicht mal eine Selbsthilfegruppe für Frauen mit traumatischen Geburten oder speziell für Kaiserschnittmütter.
Auch das örtliche Geburtshaus sagte mir, dass sie sich mit der “Pathologie” nicht beschäftigen möchten und es höchstens die Möglichkeit zu einem Gespräch mit einer Sozialpädagogin geben würde, deren Dienste ich allerdings selber bezahlen müsste.
9 Jahre später erscheint mir die Lage noch viel schlimmer: durch die Schließung von immer mehr kleineren Geburtsabteilungen und der Verlust vieler freiberuflicher Hebammen provoziert unser System weiterhin und zunehmend mehr traumatische Geburtsverläufe.
Und weil Frauen, die mit ihrem Geburtserlebnis hadern, in unserer Gesellschaft ein Tabu sind und wenig akzeptiert werden, haben es trauernde Frauen noch schwerer.
Wenn auch Du eine Geburtsreise hinter Dich gebracht hast, die ganz anders war, als Du es Dir erhofft und ersehnt hast, dann fragst Du Dich vielleicht, was dies langfristig für Dich und Dein und Euer Leben bedeuten wird.
Du fragst Dich vielleicht, ob Du versagt hast, wenn Deine Kinder ungeplanter Weise durch einen Kaiserschnitt geboren wurden.
Aber nicht Du bist die Versagerin.
Es ist unser geburtshilfliches System und all die Menschen, die Dir respektlos und unsensibel gegenüber Deinen Bedürfnissen begegnet sind!
Bei einer Geburt gibt es nur eine Frau, die zur Mutter wird und ein Kind, welches den Weg in diese Welt findet.
Vielleicht gab es aber auch eine absolute Kaiserschnittindikation bei Euch.
Und bestimmt sagen Dir alle Menschen, dass Du dankbar und glücklich sein sollst, weil Du ein gesundes Kind hast.
Frauen können aber dankbar sein für ihr Kind und dennoch traurig, dass die Geburt so anders war, als sie sich erhofft hatten.
“Hauptsache gesund!” – das waren die Worte, die ich immer wieder zu hören bekam und die so wenig hilfreich waren. Ich habe mich oft gefragt, warum allein das physische Überleben für manche Menschen zählt – gerade weil heute so wenige Kaiserschnitte auschließlich gemacht werden, um Frauen und Kinder vor dem sicheren Tod zu retten.
Die Verarbeitung eines traumatischen Geburtserlebnisses verläuft ähnlich wie der Prozess, den Menschen durchlaufen, wenn ein Angehöriger verstirbt.
Und Trauer ist ein wichtiger Teil auf dem Weg zu Heilung.
Wie unsensibel wäre es, einem Menschen zu sagen, dessen Partner gerade verstorben ist, dass er froh sein soll, dass er noch am Leben ist und es schließlich noch andere Männer und Frauen auf der Erde gibt?
Tränen und auch Wut können hilfreich sein.
Denn erst wenn wir dies zulassen, ist der Weg frei und klar(er) für eine weitere Geburtsreise.
Die Trauer um den Verlust eines Geburtserlebnisses ist sinnvoll.
So seltsam dies klingen mag. Wir sind ja Menschen und es ist gut und richtig, wenn wir uns unseren Gefühlen stellen und sie zulassen. Tränen sind dabei wie eine Reinigung.
Es wird diese Momente der plötzlichen Erinnerung immer wieder geben.
Vielleicht magst Du Dir einen “Erste Hilfe-Koffer” für solche Situationen anfertigen?
Keine Angst, dies erfordert keine großen künstlerischen Fähigkeiten.
Du kannst dafür einen kleinen Kinderschuhkarton mit Papier bekleben. Alternativ hilft auch ein fertig gekauftes Kästchen oder eine Dose etc. , die Du bereits besitzt.
Hinein legst Du Dinge, die Dich stützen und trösten, wenn es Dir schlecht geht und Dir Mut machen können.
Möglich ist z.B. ein Foto oder Kleidungsstück Deines Kindes. Auch Duftöl oder Seife oder getrocknete Blüten oder ein Talisman oder Gedichte sind möglich. Sei kreativ.
Du könntest auch eine nahe Freundin bitten, Dir das Kästchen zu füllen, wenn Du selber Dich zu kraftlos dafür fühlst.
Wenn es Dir schlecht geht mit den Erinnerungen an die Geburt Deines Kindes und sich Dein Blick eingeengt anfühlt, wenn es sich anfühlt, als wäre da keine Hoffnung – dann möchte ich dir Mut zusprechen: es gibt auch für Dich die Chance auf Heilung und Befreiung von diesen Gespenstern, die Dich quälen!
Und denk immer daran: DU allein warst es, die ihr Kind diese ganzen Wochen und Monate im Bauch getragen und hat wachsen lassen.
DU allein warst es, die das Kind geboren hat.
An diesem Punkt wirst Du vielleicht zweifeln.
Ich habe Frauen erlebt, die nie das Gefühl hatten, dass sie es waren, die ihr Kind geboren haben.
Aber ich frage Dich, durch wessen Körperöffnung Dein Kind geboren wurde?
War das der Bauch oder die Scheide eines anderen Menschen?
Es war vielleicht ungewollt oder erzwungen oder sogar gewaltsam oder vielleicht ganz anders, als Du es Dir erhofft und gewünscht hast.
Und JA – der Arzt/die Ärztin hat einen tiefen Bauchschnitt gemacht (oder mit der Saugglocke an dem Kopf Deines Kindes gezogen).
Aber es war Dein Körper, der dieses Wunder vollbracht hat und es war DEIN Körper, der tiefe Wunden hat zumindest äußerlich wieder verheilen lassen.
DU hast Dein Kind genährt, es getragen und getröstet und in den Schlaf gewiegt.
Wie auch immer die Geburt verlaufen ist: immer ist es die Mutter, die den größten und wichtigsten Anteil hat.
Und genau DAS kann selbst die traumatischste Geburt einer Frau niemals nehmen.
Heilung bedeutet nicht, dass Du Deine Verletzungen nicht mehr spürst. Diese tiefen Wunden werden weiter zu Dir gehören, – aber ohne dass sie Dich am Leben hindern.
In diesen Wunden liegt sogar die Chance, dem Leben neu zu begegnen.
Lebendigkeit wird daraus wachsen, wie eine Quelle des Lebens, aus der Du schöpfen kannst.
Da wo Du verwundet wurdest, wirst Du sensibel sein für die Menschen um Dich herum, dort wirst Du achtsam reagieren, wenn sie von ihren Wunden erzählen.
Dort kommst Du in Berührung mit Dir selbst.
2007 bin ich mit meiner Schwester und meinem 2. Baby nach Graz gefahren.
Fast 1000 km quer durch Deutschland bis nach Österreich.
Ich traf dort Ina May Gaskin und konnte mit ihr über die Geburt meines zweiten Kindes sprechen.
Auf der Suche nach Antworten, hat sie mir eine sehr einfache Frage gestellt: “War die Atmosphäre im Geburtsraum so, dass Du das Gefühl hattest, hier geht es mir gut? Hast Du Dich als Königin gefühlt?”
Ich konnte das nur mit NEIN beantworten.
Diese eine Frage hat mein Leben völlig verändert.
Und mir die Augen geöffnet.
Obwohl ich umgeben war von vielen Menschen, war ich dennoch sehr einsam.
Denn wenn Frauen nicht liebevoll behandelt werden und sie keinen Respekt erfahren während eines so sensiblen Prozesses, können Geburten traumatisch verlaufen.
Der Körper handelt dabei großartig: bei Gefahr schützt er das ungeborene Kind und will es der Umgebung nicht preisgeben.
Besonders durch diese eine Begegnung 2007 und die Auseinandersetzung mit mir selber, konnte ich sehr gezielt dafür sorgen, in der dritten Geburt all das zu erschaffen, was es mir ermöglicht hat, aus eigener Kraft und in Liebe zu gebären.
Denn dass ich vaginal gebären kann, daran hatte ich nie einen Zweifel.
Und wenn Ihr mit einem weiteren Kind schon in Gedanken spielt, dann tragt Ihr die Hoffnung schon in Euch.
Seid mutig und geht auf die Suche. Auch VBAC`s sind möglich.
Kristina Wierzba-Bloedorn
Bauchgeburt
Kristina Wierzba-Bloedorn ist Jahrgang 1977, Mutter dreier Kinder, Doula und Stillberaterin.
Sie ist Veranstalterin des Kölner GeburtsTags, ein Aktionstag rund um die Geburt und lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Köln.
www.bauchgeburt.de
Willkommen auf meinem Blog!
Auf diesem Blog wirst Du immer wieder wertvolle Beiträge über Schwangerschaft, Geburt und Mama-Sein bekommen, die Dir Mut machen sollen, Dich inspirieren sollen und Dir zeigen sollen, dass Du sehr wohl dazu in der Lage bist, selbstbestimmt zu gebären und ein erfülltes Mama-Leben zu führen.