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Interview mit Judith Raunig von ‘Meine Narbe’

Interview mit Judith Raunig von ‘Meine Narbe’

Die Diskussionen rund um den Kaiserschnitt sind seit jeher hitzig, sehr emotional und polarisierend – besonders auf Seiten der in der Geburtshilfe arbeitenden Menschen. Immer wieder geht es um das Thema Sicherheit, Verunsicherung, Angst, Schuld, Versagen, Macht und Wirtschaftlichkeit. Nur ganz selten kommen die Mütter zu Wort, die eine Kaiserschnitt-Geburt erlebt haben. Es wird nicht viel drüber gesprochen. Irgendwie muss es ja weiter gehen. Hauptsache das Kind ist gesund. Wie aber geht es den Kaiserschnitt-Müttern? Wie haben sie ihre Geburt erlebt? Womit haben sie zu kämpfen? Diesem Thema widmet sich der Dokumentationsfilm ‘Meine Narbe’ von Judith Raunig und Mirjam Unger. Am 25.11.2014 wird dieser zum ersten Mal auf ORFII ausgestrahlt. In bewegenden Interview-Szenen taucht die Doku ein in die Gefühlswelt der betroffenen Mütter und Väter und macht sichtbar und vor allem spürbar, was allzu oft verschwiegen bleibt. Aus aktuellem Anlass gibt es daher ein ganz besonderes Interview. Darf ich vorstellen? Judith Raunig!

Liebe Judith, erzähl’ uns ein bisschen was über Dich.

“Ich bin Klinische- und Gesundheitspsychologin, arbeite in freier Praxis und bin auf das Thema Kaiserschnitt spezialisiert. Ich berate und betreue Frauen und Paare vor oder nach einem Kaiserschnitt. Ich biete Einzelstunden und Seminare an, in denen die Frau ihre Geburt aufarbeiten kann. Weiters arbeite ich in der Prävention- ich halte Vorträge und Seminare für Hebammen und Geburtshelferinnen zum Thema Kaiserschnitt.”

Woher kam die Idee, die Dokumentation ‘Meine Narbe’ zu machen?

“Nachdem ich schon einige Zeit mit Frauen nach belastender Kaiserschnittgeburt gearbeitet hatte, habe ich bemerkt, dass sich die Themen, über die die Frauen sprachen immer wiederholten: da ging es um Enttäuschung, Schuld, Traurigkeit, Scham, Schmerzen, Minderung des Selbstwertes oder Wut. Gleichzeitig beobachtete ich die Darstellung des Kaiserschnitts in der Öffentlichkeit als »sanfte, sichere, moderne« Geburtsform. Ich hörte Aussagen von GeburtshelferInnen wo mir klar wurde, dass diese oft gar nicht wußten, wie es einer Frau einige Wochen oder Monate nach der Geburt gehen kann. Da dachte ich mir: Wie könnte ich es schaffen, diesen Leuten zu zeigen, wie es manchen Frauen geht, was sie fühlen, womit sie zu kämpfen haben und warum. Ich dachte, wenn nur diese Leute sehen und hören könnten was ich sehe und höre, dann könnte das vielleicht etwas ändern… Gleichzeitig war mir klar, dass es etliche Frauen geben musste, die durch ihren Kaiserschnitt belastet waren, die sich aber bis dato vielleicht niemandem anvertraut haben. Ich dachte mir, es könnte diese Frauen vielleicht stärken und ihnen Mut machen, wenn sie sehen würden, dass sie mit ihrer Geschichte nicht alleine sind.”

Worum geht es in der Doku?

“Es geht um Frauen und Männer die aus unterschiedlichen Gründen den Kaiserschnitt als belastende Geburt erlebt haben. Es sind sowohl Frauen mit geplantem als auch Frauen mit ungeplantem Kaiserschnitt interviewt worden. Es geht NICHT darum, den Kaiserschnitt zu verteufeln, es geht um kritisches Hinterfragen und um persönliche Erlebnisse dieser Menschen. Zusätzlich kommen Expertinnen zu Wort.”

Wie hast Du die Zeit der Entstehung von ‘Meine Narbe’ erlebt? Was hat Dich besonders herausgefordert oder was war schwierig?

“Diese Zeit war wie eine Hochschaubahnfahrt. Zuerst ganz prompte Zusagen von der Regisseurin Mirjam Unger und unserer Produktionsfirma Geyrhalter, dann eine lange Zeit der Unsicherheit ob der Film nun wirklich finanziert werden kann. Das war sehr spannend und aufregend. Die letzten Tage vor Drehbeginn waren dann noch extrem herausfordernd für mich- da ich mir nicht sicher war, ob es funktionieren wird, dass sich die Frauen vor der Kamera auch wirklich öffnen können. Du hast da ein paar Tage Zeit und in diesen muss alles im Kasten sein. Ich hab Tag und Nacht darüber nachgedacht. Nach den ersten 2 Stunden Dreh war klar: Es klappt.”

Was ist Dein persönlicher Bezug zum Thema Kaiserschnitt?

“Ich hatte bei meinem ersten Kind selbst einen Kaiserschnitt. Zum Glück wurde ich dabei sehr gut begleitet und betreut- durch meine Hebamme und meine Ärztin. Enttäuscht war ich trotzdem, ich wollte mein Kind auf natürlichem Weg zur Welt bringen.”

Was genau machst Du in Deiner Arbeit mit Kaiserschnitt-Mamas?

“Im Grunde geht es in meiner Arbeit darum, dass sich die Frauen mit ihrem Kaiserschnitt ein Stück mehr aussöhnen können. Der Kaiserschnitt ist diesen Frauen ja schon passiert, er kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Also ist der nächste Schritt, zu lernen mit dieser Herausforderung umzugehen. Es geht zum Beispiel darum, zu trauern, oder endlich einmal mit Gleichgesinnten seine Gedanken und Gefühle zu teilen. Es geht darum, herauszufinden, was am Kaiserschnitt der verletzende Punkt war, oder wie dieses Erlebnis persönlich genutzt werden kann. In der Auseinandersetzung mit dem Geburtserlebnis finden die Frauen wieder zu mehr Selbstvertrauen, Kraft, Körperbewusstsein und Lebensfreude zurück. Zusätzlich arbeite ich auch oft mit den Vätern- denn die waren meist dabei und haben auch ihr Geburtserlebnis. Und sehr häufig brauchen Paare Unterstützung dabei, den Kaiserschnitt gut besprechen zu können. So dass er im Endeffekt zusammenschweissen kann.”

Was würdest Du erstgebärenden Müttern raten?

“Ich glaube, das Wichtigste ist, angstfrei zu werden. Wenn man als Erstgebärende von Angst geleitet wird, lässt man sich schnell alles einreden. Ich würde einer Erstgebärenden raten, sich von einer Hebamme durch die Schwangerschaft und durch die Geburt begleiten zu lassen. Denn Hebammen stärken Frauen und unterstützen sie in ihren Fähigkeiten. Das ist ein nachhaltiges Konzept- eine gestärkte, selbstbewusste Mutter kann sich auch wunderbar nach der Geburt um sich selbst und ihr Kind kümmern.”

Was würdest Du Frauen raten, die sich – nach vorangegangenem Kaiserschnitt – eine Vaginalgeburt nach Kaiserschnitt wünschen?

“Wenn die Frau mit der Kaiserschnittgeburt noch nicht »ausgesöhnt« ist, wenn sie noch traurig wird, die »warum« Frage wälzt oder es ihr unangenehm ist, daran zu denken, dann würde ich ihr zuerst raten, diese Geburt aufzuarbeiten. Dann ist es möglich, frei von dieser Geschichte in die zweite Geburt zu gehen. Wenn das nicht passiert, besteht immer die Möglichkeit, dass die Frau während der zweiten Geburt von ihrer ersten Geburt »eingeholt« wird, dass sie diese dann belastet und in ihren Möglichkeiten einschränkt. Besonders wenn der Kaiserschnitt sehr belastend oder gar traumatisch war, ist das ganz wichtig. Und dann rate ich jeder dieser Frauen- auch wie den Erstgebärenden: Nimm dir eine Hebamme und such dir ein Spital aus, in dem eine vaginale Geburt nach Kaiserschnitt unterstützt wird.”

Was können Frauen tun, die ihren Kaiserschnitt als sehr traumatisch erlebt haben? Wo gibt es Hilfe?

“Frauen können sich bei mir melden oder auch bei einer Therapeutin/einem Therapeuten oder einer Psychologin, die traumatherapeutisch ausgebildet sind.”

Liebe Judith, vielen Dank für das Interview mit Dir, ich wünsche Dir alles Liebe und viel Erfolg die Premiere von ‘Meine Narbe’!

Mehr Informationen zum Film ‘Meine Narbe’ gibt es hier:

http://www.geyrhalterfilm.com/meine_narbe

https://www.facebook.com/meinenarbe

 

Und wer ORFII empfangen kann, bitte unbedingt einschalten und anschauen!

Am Dienstag, 25.1.2014 um 22:35 Uhr im Rahmen von ‘kreuz und quer’. Wiederholung läuft am Donnerstag, 27.11.2014, um 11:50 Uhr.

Judith Raunig, Wien 05.09.2012 Foto: Michele Pauty

Mehr Informationen über Judith Raunig und ihre Angebote findest Du hier:

http://www.nach-dem-kaiserschnitt.at/

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Aktuell bei Geburt und Mama-Sein:

Selbstbestimmt, angstfrei und entspannt in die Geburt

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'3 Schritte zur angstfreien, entspannten Geburt'

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Hier geht es um alle Frauenthemen, die rund um die Zeit der Schwangerschaft, die Vorbereitung auf die Geburt, die Verarbeitung der Geburtserfahrung und das Hineinwachsen in die Mama-Rolle auftauchen.

Die Angst im Kreißzimmer

Die Angst im Kreißzimmer

Die Geburtshilfe in der Krise

Geburt ist zu einer hoch technisierten, medizinischen Angelegenheit geworden. Die stetig steigende Kaiserschnittrate und die ewig sinkende Anzahl an Frauen, die ohne medizinische Eingriffe davon kommt, zeugen davon. Gleichzeitig steigt die Mortalitätsrate – entgegen aller medizinischen Fortschritte – oder gerade deshalb?

 

Die Angst lebt im Kreißzimmer.

Und zwar vor allem bei den Geburtshelfern.

Nun möchte man meinen, dass der juristische Druck und auch der betriebswirtschaftliche Aspekt der Profit-Überlegenheit des Kaiserschnitts gegenüber einer vaginalen Geburt (bei einem Kaiserschnitt verdient der Betrieb Krankenhaus das Doppelte im Vergleich zu einer vaginalen Geburt) das Handeln der Ärzte bestimmt.

Und das wird für einen Teil sicher auch zutreffen.

„Bei einer wirklich sehr straffen ökonomischen Führung eines Spitals wird wahrscheinlich das Argument irgendwann einmal wirksam werden, dass möglichst viele Kaiserschnitte eine möglichst billige Geburtshilfe darstellen. Provokant gesagt kann man natürlich schon sagen, je höher die Kaiserschnitt-Frequenz ist, desto kontrollierbarer ist der Geburtsbereich und desto langfristig ökonomisch günstiger wird der Bereich.“

Peter Husslein, Leiter der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am AKH im Film ‘Meine Narbe’

 

Aber wollen wir ganz fair und ehrlich sein. Es gibt überaus viele engagierte und hoch professionelle Geburtshelfer, die für die Frauen und nicht gegen sie arbeiten.

Es muss also noch etwas anderes hinter der kläglichen Lage unserer Geburtskultur stecken.

Und zwar ist es das stärkste Mittel, das einen manipulieren kann: Angst.

Angst und Trauma.

 

Geburt ist ein natürlicher, physiologischer Vorgang, der weitaus einfacher ist, als das, was wir daraus machen.

Dazu müssen wir nur in die Tierwelt schauen, auch wenn das befremdlich zu sein scheint.

Aber der Teil unseres Gehirns, der während der Geburt hoch aktiv ist, ist auch jener, den wir mit anderen Säugetiermüttern gemeinsam haben – i-phone, google calendar und bugaboo hin oder her.

Wir brauchen Ungestörtheit (privacy), damit unser Körper unter der Geburt entsprechend gut funktionieren kann.

Michel Odent berichtet in seinem Buch ‘Geburt und Stillen’ von einem Versuch mit Ratten bei dem die Auswirkung der Umgebung auf den Geburtsverlauf sowie die Verhaltensänderung innerhalb der Rattengemeinschaft untersucht wurden.

Hier zeigte sich, dass die Rattenmutter, die sich nicht in die Ungestörtheit zurückziehen konnte, einen längeren und schwierigeren Geburtsverlauf hatte als die Rattenmutter in der Vergleichsgruppe. Besonders auffallend ist aber das Verhalten der restlichen Rattengemeinschaft: sie reagiert auf die gebärende Ratte in ihrer Mitte mit Überaktivität. So wird die Rattenmutter in ihrer Geburtstätigkeit ununterbrochen gestört und im Zuge der ‘Versorgung’ der Nachgeburt werden auch einige der neugeborenen Ratten gefressen.

 

Unumstritten ist Geburt auch archaisch, brutal und hemmungslos – wie die Natur selbst.

Und der Tod, Krankheit und Behinderung wird immer wieder vorkommen. Es gehört dazu.

Trotz aller Pränataldiagnostik, 3D-Ultraschall und Dauer-CTG, trotz aller Privatversicherungen, Juristen und Gutachter, trotz aller ätherischen Öle, Schwangerenyoga und HypnoBirthing.

 

Geburt ist ein archaisches Erlebnis in unserem Leben. Wir haben keine Kontrolle über Leben und Tod.

Ein Geburtshelfer sieht in seinem Arbeitsleben viel von dieser Kehrseite und es bleibt bei ihm.

Es wird sein ständiger Begleiter – sowohl im Kreißsaal als auch im Privatleben.

Er ist traumatisiert.

Sehr klar wurde dies auf der jüngsten Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in der Geburtshilfe und Gynäkologie, bei der es um die selbstbestimmte Geburt ging.

Ein Trauma verändert unsere Gehirnstruktur schon binnen weniger Tage. Die Erlebnisse werden in unserem System ‘installiert’ und bestimmen dann unseren Gefühlszustand, unser Handeln, unser Leben, unser Arbeiten.

Es führt dazu, dass wir die Kraft und das Vertrauen nicht mehr aufbringen können, einer Mutter die nötige Ungestörtheit zu geben, die sie bräuchte, um ihr Kind sicher auf die Welt zu bringen.

Es führt dazu, dass aus physiologischen Geburtsverläufen pathologische werden. Hausgemacht und unnötig, aber vor allem auch ungewollt.

Angst bestimmt hier die Handlungen.

Denn das Bild ist wieder da – das Trauma wieder akut: das tote Baby, die verblutende Mutter, die Verzweiflung, die Vorwürfe, das Gerichtsverfahren.

Das nennt man sekundäre Traumatisierung.

Der Stress steigt. Nachtdienste und zu lange Arbeitszeiten tun ihr Übriges. Posttraumatische Belastungsstörung.

 

 

Angst ist der größte Feind des Geburtszimmers.

Nicht nur bei den gebärenden Frauen.

Sie hat konkrete Auswirkungen auf Performance und Geburtsmodus. Es geht um Risikovermeidung. Ein Kaiserschnitt ist planbar. Ein Kaiserschnitt wird weniger geklagt.

Wie aber die Mütter selbst diesen Kaiserschnitt erleben, zeigt sich deutlich in der Kaiserschnitt-Studie der Stadt Wien gemeinsam mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund, in der deutlich hervor geht, dass die Frauen mit dem Geburtsergebnis Kaiserschnitt mehr unter ihrem Geburtserlebnis leiden und dass sich dieses sowohl auf den Stillerfolg, die Mutter-Kind-Bindung, die Partnerbeziehung und auf den emotionalen Zustand der Frau auswirkt.

Die psychischen Auswirkung des Geburtsmodus Kaiserschnitt auf die Mutter werden höchst bewegend im neuen Dokumentarfilm ‘Meine Narbe’ von Mirjam Unger und Judith Raunig dargestellt. Hier kommen bis dato unausgesprochene Dinge ans Tageslicht und die ganze Gefühlswelt, die mit der Kaiserschnitt-Geburt einhergeht, taucht auf. Gefühle des Versagens, der Leere, der Wut, der Traurigkeit.

Ganz normale Gefühle eines Traumas.

Es braucht also psychologische Hilfe auf beiden Seiten.

Es braucht hochprofessionelle Supervision, Intervision, Balinth-Gruppen und Traumatherapie-Angebote für Geburtshelfer.

Hilfe für die Helfer.

 

Man muss viel wissen, um nichts tun zu können.“

Und es braucht schonungslose Kompetenzstärkung in der Geburtshilfe, um vor dem Aussterben bedrohte Techniken wie z.B. die Steißlagengeburt zu retten. Denn die Pathologisierung von Geburt hat auch damit zu tun, dass dem Umfeld Krankenhaus die Erfahrung mit physiologischen Geburtsverläufen ohne Einsatz von medizinischen Interventionen und das Bewusstsein für die psychosozialen Hintergründe fehlt. Hebamme Lisa Rakos nennt dies ‘gekonnte Nicht-Intervention’.

Und dann kann auch die Angst dort bleiben, wo sie hingehört: vor der Tür.

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Dem Schmerz und der Angst einen Raum geben

Dem Schmerz und der Angst einen Raum geben

Mein Interview mit Doris Moser

 

Vor allem Erstgebärende verbinden in ihrer Vorstellung Geburt mit dem Empfinden von Schmerz. Eine Geburt ist schmerzhaft, muss schmerzhaft sein – etwas, das uns schon von Kindheit an vermittelt wird.
Dass Geburt auch anders sein kann und der Umgang mit Schmerz eine sehr individuelle Sache ist, wird uns zumeist verschwiegen.
Und so plagen uns vielfältige Ängste, wenn wir an die bevorstehende Geburt denken:

Werde ich das schaffen?
Bin ich stark genug?
Was, wenn ich die Schmerzen nicht mehr ertragen kann?

An diesem Punkt springt die Medizin mit zahlreichen Helferchen ein, um der werdenden Mutter ihre Angst zu nehmen: schmerzstillende Mittel, PDA und gegebenenfalls die „schmerzfreie“ Geburt durch den Bauch.

Dass Schmerz nicht gleich Schmerz ist, dieser in Zusammenhang mit der Geburt aber durchaus auch Sinn machen kann und es außerdem zahlreiche Möglichkeiten gibt, um sich bereits in der Schwangerschaft mit diesem Thema auseinander zu setzen, zeigt uns im Gespräch mit Doris Moser die zweifache Mutter und HypnoBirthing Kursleiterin Nina Winner.

Der Kreislauf aus Angst, Anspannung und Schmerz kann durchbrochen werden und es gibt zahlreiche Erfahrungsberichte, die belegen, dass eine Geburt nicht unbedingt mit einer schmerzhaften körperlichen Erfahrung einhergehen muss. Das ist etwas, das alle Frauen erfahren sollten!

Liebe Nina, was gibt es über dich zu wissen?

Ich bin Mama von zwei Kindern, Ehefrau, Tänzerin, Bewegungsanalytikerin, HypnoBirthing Kursleiterin, BOLD Method for birth facilitator und liebe alles, was mit Yoga, Meditation und Achtsamkeit zu tun hat. Mein Herzensthema ist die Geburt, ich bin Bloggerin, Birth Visionary und Geburtsaktivistin. Ich brauche Musik in meinem Leben, hab schon mal fast alles verloren, bin harmoniebedürftig und brauche Himmel über mir und den Wind in meinen Haaren.

Ich bin in freier Praxis tätig und arbeite mit Kindern, Kinderwunschklientinnen, schwangeren Frauen, mit Müttern, die eine schwierige Geburt erlebt haben, mit müden Mamas und jeden Tag an mir selbst.

Woran denkst, du wenn du das Wort „Geburtsschmerz“ hörst?

Ich denke an Filmszenen, sterile Krankenhausgänge, Nadeln und Kabel, Magazinartikel und Onlineforendiskussionen. Genauso denke ich an ‘rite of passage’, Frauenkraft, Leben und Sterben, Über-Sich-Hinauswachsen.

Der so genannte Geburtsschmerz scheint die Geister zu scheiden: Die einen wollen ihn mit Hilfe von Medikamenten ausschalten, die anderen sehen in ihm eine Quelle der Kraft. Wie siehst du das?

Schmerz ist ein Zeichen von Anspannung, es sei denn, man ist wirklich verletzt, was man bei einem normalen Geburtsvorgang in den allermeisten Fällen ausschließen kann. Schmerz kann ein Zeichen für Angst sein. Es kann auch ein Zeichen von Erweiterung und Wachstum sein. Wir alle empfinden Schmerz auf eine ganz individuelle Art und Weise. Es hängt deutlich davon ab, was wir im Laufe unseres Lebens für Erfahrungen im Umgang mit Schmerz, schmerzvollen Erlebnissen oder intensiven Empfindungen in unserem Körper gemacht haben. Wie ist generell unser Verhältnis zu unserem Körper? Können wir seine Zeichen wahrnehmen? Respektieren wir seine Botschaften? Wie erleben wir unsere eigene innere Kraft?

Verständlicherweise erscheint es erträglicher, nichts zu spüren, als Schmerzen zu spüren. Schmerz kann aber eine sehr wichtige Botschaft unseres Körpers an uns darstellen. Er zwingt uns, hinzusehen, hin zu spüren, uns so anzunehmen, wie wir sind.

Wo Angst zu Schmerz führt und Schmerz Angst macht, da ist auch die Frage zu stellen, was uns sonst im Leben noch unheimlich, unangenehm und schmerzhaft ist.

Dem Schmerz und der Angst einen Raum zu geben – durch Meditation, Tiefenentspannung, therapeutische Unterstützung – kann im alltäglichen Leben, also auch während der Schwangerschaft, schnell Linderung verschaffen.

Unter der Geburt kann liebevolle Zuwendung des Partners, einer Doula, der Hebamme einen deutlichen Unterschied im Schmerzempfinden machen.
Was tun wir denn bei Kindern, die Schmerzen haben? Wir trösten sie, wir streicheln und küssen sie, wir umsorgen sie nach all unseren Mutterkünsten. Das Gleiche darf auch eine gebärende Frau erfahren, die Schmerzen hat.
Ich finde es auch wichtig, dass das betreuende Geburtspersonal ganz genau auf die persönlichen Bedürfnisse der Mutter schaut. Einfühlsames Fragen und liebevolle Ermutigung halte ich für wichtiger als Vaginaluntersuchungen und CTG-Schreiben.

Ist eine schmerzfreie Geburt (abgesehen von Medikamentengabe) möglich?

Natürlich ist sie möglich.

Wenn man sich andere Säugetiermamas unter der Geburt oder auch gebärende Frauen in Naturvölkern, die noch im Einklang mit der Natur leben, anschaut, so findet man schnell viele inspirierende Beispiele dafür.
Aber diese Mütter leben auch im Einklang mit ihrem Körperempfinden. Für sie bedeutet eine intensive, vielleicht auch unangenehme Körperempfindung nicht gleich Schmerz. Geburt wurde von der Natur aus so konzipiert, dass sie möglichst komplikationslos, schmerzlos und kräftesparend stattfinden kann.

Es ist meiner Meinung nach auch eine Frage der Begrifflichkeit. Im Englischen heißt schmerzfrei ‘painless’, also less pain – weniger Schmerz. Schmerzfrei wird interessanterweise mit Nichts-Spüren oder Taubheit, gleichgesetzt.

Geburt – auch eine schmerzfreie Geburt – ist und bleibt eine sehr intensive körperliche, seelische und spirituelle Erfahrung. Hier kommt schließlich ein neues Wesen auf die Welt. Hier wird eine Mutter geboren. Sie darf anstrengend und herausfordernd sein – sie muss aber nicht schmerzvoll sein.

In Zusammenhang mit „schmerzfreier Geburt“ ist immer wieder von HypnoBirthing die Rede. Wobei handelt es sich bei dieser Methode genau? Und warum kann sie hilfreich sein, um die Geburt möglichst entspannt zu erleben?

HypnoBirthing ist ein Vorbereitungsprogramm zur Geburt, das, von Mary Mongan entwickelt, mit Selbsthypnose, Tiefenentspannung, Atmungen, Affirmationen und Visualisierungen arbeitet. Es geht darum, ein positives inneres Bild von Geburt herzustellen.

Im HypnoBirthing Kurs lernen die Eltern, was wirklich bei der Geburt geschieht (Entmythisierung) und sie begreifen, wie sich Angst auf den Geburtsverlauf auswirkt. Was die Angst und den Schmerz betrifft, spricht HypnoBirthing vom Angst-Spannungs-Schmerz-Syndrom. Dieser Begriff stammt ursprünglich vom englischen Gynäkologen Dr. Grantly Dick-Read („Mutter werden ohne Schmerz“).

HypnoBirthing nimmt sich die Vorzüge der Selbsthypnose, um die positiven Bilder tief im Unterbewusstsein zu verankern, um Ängste zu lösen und um die Denkweise zu verändern. Die Eltern lernen, welchen Einfluss die Gedanken und die Sprache auf den Körper haben (psycho-physische Reaktion).

Die drei HypnoBirthing Atemtechniken helfen dabei, auf der Körperebene optimal mit den Geburtswellen mitzusurfen.

Der Partner bekommt eine zentrale Rolle im Geburtsgeschehen, die Mentor, Fürsprecher und Beschützer für die Mutter sein kann.

Ziel ist es, die Endorphin-Ausschüttung so weit anzukurbeln, schließlich sind Endorphine 200 mal stärker als Morphium, so dass sich die Muskeln immer weiter entspannen können und sich die Mutter immer tiefer in ihren Körper und zu ihrem Baby hin versenken kann.
Je entspannter die Mutter ist, umso leichter kann sich der Muttermund öffnen. Die Muskeln sind weich und erlauben dem Baby so, in die optimale Position für die Geburt zu gelangen.

Mir persönlich ist es in den Kursen aber auch besonders wichtig, auf Selbstbestimmung und Mündigkeit der Eltern hinzuarbeiten. Das Besprechen der Geburtswunschliste und das Stärken des Selbstbewusstseins gehört also genauso in den Kurs.

Ist eine schmerzfreie Geburt das Ziel aller Dinge (oder geht es vielleicht darum, der Geburt selbstbestimmt, entspannt und angstfrei zu begegnen und dadurch auch einen anderen Zugang zum Schmerzthema zu erlangen)?

Jede Frau hat ihre ganz eigene Vision für die Geburt.

Es ist wertfrei, ob sie nun gerne eine schmerzfreie oder gar orgiastische Geburt erleben will.
Aber sicher hat es mit dem Zugang zu tun, den man zum Schmerzthema finden kann.
Es besteht der Irrglaube, dass eine Geburt mit PDA oder durch den Kaiserschnitt schmerzfrei wäre. Das stimmt so nicht. Auch hier kommen viele unangenehme Begleiterscheinungen dazu, besonders in den Wochen nach der Geburt.

Auch wenn das Ziel nicht direkt eine schmerzfreie Geburt, sondern eine selbstbestimmte, entspannte und angstfreie Geburt ist, so kann es durchaus passieren, dass man eine schmerzfreie Geburt erlebt. Es macht einen großen Unterschied, in welcher Umgebung man sich auf den eigenen Schmerz einlassen kann und welchen Raum dieser bekommt.

Wie hast du deine eigenen Geburten (in Bezug auf Schmerz) erlebt?

Ich habe beide meine Kinder zuhause im Schlafzimmer auf die Welt gebracht.
Ich hatte die liebevolle Unterstützung meines Mannes, einer sehr engen Freundin und zweier Hebammen.

Meine erste Geburt war eine schnelle, sehr intensive und sehr schmerzhafte Geburt. Ich fühlte mich völlig außer Kontrolle, hilflos und der Ur-Gewalt meines eigenen Körpers komplett ausgeliefert.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich unter der Geburt dachte, warum ich mich bloß auf diese blöde Idee eingelassen hatte und warum mir nie jemand gesagt hat, dass es so stark weh tun würde. Ich war froh, dass ich zuhause war und mich in sicherer Umgebung und Privatsphäre mit mir selbst auseinandersetzen konnte.
Aber ich war völlig überwältigt von meiner eigenen Kraft. Sie ist wie ein wildes Pferd mit mir durchgegangen.

Meine zweite Geburt war entspannt, kraftvoll, fokussiert, anstrengend und schmerzfrei.
Die Eröffnungsphase lief ruhig, entspannt und sehr konzentriert ab.
Ich wendete die HypnoBirthing-Techniken an und fokussierte mich auf meine Atmung und das Loslassen aller Muskeln. Mein Körper konnte so ganz das tun, wozu er gemacht war.
In der Geburtsphase ging es sehr sportlich zu, weil meine Tochter ein Sternengucker war (also mit dem Gesicht nach oben) und ich meinen Körper in die für sie beste Position bringen musste. Aber in der intensiven körperlichen Betätigung fühlte ich mich zuhause. Ich wusste, wie stark mein Körper ist.
Es war sehr anstrengend, aber ich hatte keine Schmerzen. Es war herrlich!

Ich brauchte die erste Geburtserfahrung, um die zweite erleben zu können.
Ich denke, dass jede Geburt, die wir erfahren dürfen, eine Chance ist, etwas über uns selbst zu lernen, über uns selbst hinauszuwachsen, unsere eigene Kraft zu spüren.

Nicht unbedingt eine körperliche, muskuläre Kraft, sondern unsere innere Stärke.

Wenn wir der Gefahr unerträglicher Schmerzen entgehen wollen, nehmen wir uns auch die Chance, uns selbst in dieser Ur-kraft zu erfahren.

Was würdest du Frauen raten, die solche Angst vor der Geburt und ihren körperlichen Herausforderungen haben, dass sie schon im Vorfeld auf PDA und/oder Kaiserschnitt setzen?

Wir alle haben ja einen bestimmten Lebensrucksack zum Tragen und verschiedene Lebensthemen zum Bearbeiten. Jede von uns hat eine ganz eigene Geschichte und eigene Angstthemen.
Niemals sollten wir eine Frau dafür verurteilen, wenn sie ihr Kind durch einen Wunschkaiserschnitt zur Welt bringen möchte. Wir kennen ihre Geschichte nicht. Wir wissen nicht, mit welchen Themen sie kämpft.

Ich denke, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten und Handlungsmustern nicht nur für die Geburt sondern besonders im alltäglichen Leben von Vorteil sein kann.
Unsere Kinder sind oft unsere besten Lehrer und es kann sein, dass sie uns jeden Tag an unsere Grenzen führen, ob nun als Baby, als Dreijährige oder als Teenager. Hier kann es immer helfen, mit sich ins Reine zu kommen.

Ich persönlich empfehle alles, was auf körperlicher und seelischer Ebene helfen kann. Eine Auseinandersetzung mit dem Körper über die Bewegung – ob nun Yoga, Tanz oder Schwimmen (je nachdem, was gut tut und wo man sich zuhause fühlt) – schult das positive Verhältnis zum eigenen Körper, schärft den Instinkt, macht den Körper stark und geschmeidig, stärkt das Selbstbewusstsein und hilft bei der Ausschüttung von Glückshormonen.
Auch tiefgehende Behandlungsmethoden auf der Körper-Seelen-Ebene wie Shiatsu, Osteopathie, Kinesiologie oder Cranio-Sacraltherapie aber auch Achtsamkeitstechniken und Meditation können Frauen bei der Angstbewältigung helfen. Auf psychischer Ebene halte ich persönlich viel von Methoden, die auch das im Körper und Unterbewusstsein gespeicherte Wissen mit in Betracht ziehen, so wie z.B. die Hypnotherapie, Traumatherapie nach Dr. Gallo, EFT (Emotional Freedom Technique) und die Bewegungsanalyse.

Es heißt, dass die Art und Weise, wie wir leben, auch die Art und Weise ist, wie wir gebären. Das zu hören, mag sehr unangenehm sein. Für uns alle.
In welchen anderen Bereichen des Lebens lassen wir über uns bestimmen?
Wo lassen wir noch zu, dass unsere Grenzen überschritten werden?
Wo sagen wir noch nicht genau, was wir wollen?
Was wollen wir noch nicht spüren?

Wir alle haben die Dunkelheit in uns. Ich kenne keinen Menschen, der angstfrei ist, es geht also um das Durchleuchten dieser Dunkelheit.
Jede Angst bietet uns die Möglichkeit zur Veränderung.

Alleine geht es oft nur sehr schwer. Ich würde also jeder Frau raten, die große Angst vor der Geburt hat, sich Hilfe zu holen und auf allen Ebenen ihre Angst zu umarmen.

Hast du sonstige Anregungen oder Gedanken, die du in diesem Zusammenhang noch anbringen möchtest?

Das Leben ist lebensgefährlich und wirkliche Sicherheit wird es nie geben.
Das macht Angst. Wir alle stehen irgendwann vor dem Ende, vor dem Sterben. Geburt ist wie das Sterben, nur in die andere Richtung.
Wir sollten mit Ehrfurcht und Respekt mit dieser Erfahrung umgehen.

Im Zeitalter der allumfassenden Versicherung und dem stetig steigenden Bedürfnis danach wird der Umgang mit Geburt und Sterben jedoch zunehmend unerträglich. Das zeigt die steigende Zahl der verängstigten Frauen und der Kaiserschnittrate.

Aus der vermeintlichen Versicherung wird zunehmend eine Verunsicherung, die auf Kosten der Mütter, der Väter, der Babys geht. Was wir aber nicht wissen, was auch nicht erforscht ist, ist, wie sich die Art und Weise, wie wir geboren werden und die steigende Zahl der Interventionen, auf unsere Gesundheit und die der folgenden Generationen auswirken wird.

Dieses Thema wird in dem neuen Dokumentarfilm ‘Microbirth’ behandelt. Die Filmemacher Toni Harman und Alex Wakeford (2012 brachten sie ‘Freedom For Birth’ raus) schauen sich das Thema Geburt quasi unter dem Mikroskop an. Weltweite Premiere findet ab dem 20.09.2014 statt. Informationen über eine Filmvorstellung in Wien wird es hier auf meiner Homepage geben.”

Das Interview führte Mag.a Doris Moser
Kultur- und Sozialanthropologin, Geburtsbegleiterin und zweifache Mama
info@rotemondin.com
www.rotemondin.com

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Geburt – der schmerzhafteste Tag Deines Lebens?

Was, wenn nicht?

 

Ich gebe Dir Schritt für Schritt die Techniken an die Hand, um eine selbstbestimmte, entspannte und freudvolle Geburt zu erleben.

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